Die Grenzen der Engpasstheorie (Theory of Constraints) im Multiprojektmanagement

Wir sind Fans der Theory of Constraints (ToC). Sie ist ein wunderbares Instrument, um Abläufe zu beschleunigen und Durchlaufzeiten zu verkürzen.

In unseren Augen stößt sie jedoch an Grenzen, vor allem, wenn es um Wissensarbeit geht.

Wo die ToC glänzt

Die ToC ist großartig in Produktionsprozessen. Und sie ist großartig in Multiprojekt-Situationen, wenn die Projekte alle einem ähnlichen Prozessablauf unterliegen. Dann ergibt es sehr viel Sinn, den einen Engpass zu suchen und erhöhten Durchsatz durch dessen Erweiterung zu erreichen.

Komplexität in Multiprojekt-Umgebungen: Die Herausforderung für ToC

In Multiprojekt-Situationen mit einer sehr heterogenen Muliprojekt-Landschaft aufweisen, ist es etwas komplizierter. Hier ist es unserer Meinung nach nicht sinnvoll, den einen Engpass zu suchen.

Denn da geht es beispielsweise um interne Entwicklungsprojekte, Digitalisierungsprojekte, Prozessverbesserungsprojekte, Kundenprojekte, Implementierung von ESG-Berichtspflichten, AI-Act, Cyber-Security und ähnliches.

Das alles sind Projekte mit einem hohen Anteil an Wissensarbeit,

  • die nicht alle einen einheitlichen oder ähnlichen Ablauf haben,
  • die oft Leute aus verschiedenen Organisationseinheiten benötigen,

aber eben aus unterschiedlichen Bereichen und in unterschiedlicher Kombination.

Der Trugschluss des „einen“ Engpasses

Wir haben dazu schon Statements gehört wie: „In diesem Fall ist das Management der eine Engpass.“

Die logische Schlussfolgerung, wenn man sich auf das Management konzentriert, wäre ja dann zum Beispiel:

  • Nur so viele Projekte starten, wie das Management auch steuern und bearbeiten kann.
  • Maßnahmen ergreifen, die das Management entlasten – etwa nur 1-Pager Berichte ans Management, keine Details. Keine Zeit für Diskussionen vorsehen.
  • Oder vielleicht noch einen weiteren Geschäftsführer einstellen, um den Engpass zu erweitern?

Aber was ist dann mit den Engpässen, der Überlastung in der IT, die jetzt mit den vielen ESG-, Cybersecurity- und Digitalisierungsprojekten zu kämpfen hat?

Und was ist mit den Engpässen im Engineering, das jetzt neben den Kundenprojekten auch noch viel Zuarbeit bei der Fachkonzeption des demnächst einzuführenden ERP-Systems zu leisten hat?

Und mit den Engpässen im Einkauf, der sich zusammen mit Engineering und IT um strategische Make-or-Buy-Projekte kümmert?

Die Liste lässt sich fast beliebig fortführen.

In so einer Multiprojekt-Situation gibt es nicht den einen Engpass, sondern wir haben es mit dynamisch wechselnden Engpässen zu tun.

Ein alternativer Ansatz: Projekte zur richtigen Zeit starten

In so einer Situation halten wir es für besser, stattdessen diese eine einfache Regel aufzustellen:

Ein Projekt wird nicht frühestmöglich gestartet, sondern erst dann, wenn auch ein Team zusammengestellt werden kann, das die notwendigen Fähigkeiten hat und die Zeit, sich jetzt um das Projekt zu kümmern.

(Das bedeutet nicht, dass alle Ressourcen bereits für die gesamte Laufzeit „gebunkert“ werden müssen, aber es sollte sichergestellt sein, dass das Team zumindest bis zum nächsten Entscheidungsgate an dem Projekt arbeiten kann.)

So vermeiden wir Überlastung bei den Mitarbeitenden und schaffen eine sehr wichtige Voraussetzung, um Projekte schnellstmöglich fertigzustellen. Und wenn wir das mit dem Verzicht auf Mikromanagement und der Übertragung von Verantwortung kombinieren, dann werden wir ganz erstaunliche Ergebnisse erzielen.

Der digitale Zwilling: Eine Lösung für dynamische Engpässe

Und genau dabei kann Ihnen ein digitaler Zwilling einer Projekt-Portfolio-Organisation helfen: Ein digitales Modell der insgesamt verfügbaren Kapazität und aller aktuell laufenden und potentiell kommenden Projekte. Am besten mit KI-Unterstützung, Visualisierung, Analyse und automatischen Reports für alle.

Dadurch können Unternehmen: 

  1. Engpässe frühzeitig erkennen: Der digitale Zwilling zeigt, welche Teams oder Personen in den nächsten Wochen oder Monaten überlastet sein werden. 
  2. Proaktive Maßnahmen ergreifen: Ressourcen umverteilen, Prioritäten anpassen oder Projekte verschieben, bevor Engpässe zu Verzögerungen führen. 
  3. Effizienter planen und steuern: Durch die Simulation verschiedener Szenarien wird klar, wie sich Änderungen in der Projektlandschaft auf die Gesamtorganisation auswirken. 
  4. Überlastung vermeiden: Der digitale Zwilling hilft sicherzustellen, dass Projekte nur gestartet werden, wenn ausreichend Kapazität vorhanden ist, um sie auch effektiv umzusetzen. 

Flexibel steuern für erhöhte Projektperformance

Der digitale Zwilling ersetzt starre, statische Planungsansätze durch eine flexible, dynamische Steuerung. Das ermöglicht es uns, die ständig wechselnden Engpässe effizient zu managen und Überlastung zu verhindern. Und so erhöht sich quasi automatisch die Performance unserer Projekte.

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